„Die Vorschläge des Bundesjustizministers zur besseren Bewältigung von Massenverfahren gehen in die richtige Richtung. Sie sind ein Anfang, aber noch kein Gesamtkonzept. Besser spät als nie, dieses Motto gilt auch hier. Der Bundesjustizminister greift nun endlich Vorschläge auf, die Hessen bereits im vergangenen September, also vor einem Dreivierteljahr, erfolgreich in den Bundesrat eingebracht hatte. Das Vorabentscheidungsverfahren zum Bundesgerichtshof und die Möglichkeit der Klärung grundsätzlicher Fragen auch nach Rücknahme von Klagen versprechen eine deutliche Entlastung der Gerichte. So wird frühzeitig eine Orientierung der Rechtspraxis an Leitentscheidungen möglich. Rechtliche Unsicherheiten und uneinheitliche Entscheidungen können vermieden werden. Es kommt nun darauf an, dass die Reform schnell Wirklichkeit wird. Die Praxis macht bereits seit vielen Monaten auf die Dringlichkeit des Regelungsbedarfes aufmerksam. Es ist wertvolle Zeit verspielt worden. Der Bundesjustizminister hat die Praxis über lange Zeit mit dem Problem der Massenverfahren alleine gelassen. Wir müssen jetzt zügig die richtigen Rahmenbedingungen für eine effiziente Durchführung der Massenverfahren setzen. Dazu bedarf es eines Gesamtkonzeptes, von dem Rechtssuchende und Justiz gleichermaßen profitieren werden.“
Hessen hatte im September 2022 einen Entschließungsantrag zur besseren Bewältigung von Massenverfahren in den Bundesrat eingebracht (Drucksache 342/22). Dieser sah unter anderem ein Vorabentscheidungsverfahren zum Bundesgerichtshof vor und die Vermeidung sich wiederholender Beweisaufnahmen.
Rechtsstreit müsste weiterhin gewöhnlichen Instanzenzug durchlaufen
Der hessische Antrag hat in der Länderkammer ein einstimmiges Votum erhalten.
Der Bundesjustizminister hat nun ausweislich der aktuellen Presseberichterstattung eine Ressortanhörung zu einem Gesetzentwurf in Gang gesetzt, der Regelungen zu einem Leitentscheidungsverfahren zum Bundesgerichtshof enthält.
„Um einen noch größeren Beschleunigungseffekt zu erreichen, wäre es wünschenswert, die maßgebliche Rechtsfrage auch schon aus der ersten Instanz dem Bundesgerichtshof vorlegen zu können. Das beabsichtigte Leitentscheidungsverfahren setzt nach wie vor voraus, dass der Rechtsstreit den gewöhnlichen und damit zeitaufwendigen Instanzenzug durchlaufen muss“, so Justizminister Roman Poseck weiter.
„Massenverfahren werden die Gerichte weiter beschäftigen“
Massenverfahren haben die deutschen Zivilgerichte in den vergangenen Jahren über Gebühr belastet. Vor allem die Land- und Oberlandesgerichte sind mit einer Vielzahl sogenannter Dieselverfahren geflutet worden. Dabei handelt es sich um zivilrechtliche Verfahren, in denen beispielsweise Schadensersatzansprüche wegen nicht eingehaltener Abgaswerte geltend gemacht werden.
„Massenverfahren werden die Gerichte auch nach einem Abflauen der „Dieselwelle“ weiter beschäftigen. Verfahren infolge des Wirecard-Skandals und Fluggastrechte-Verfahren sind beispielsweise ganz aktuelle Phänomene. Weitere Konstellationen werden mit Sicherheit folgen. Deshalb ist es auch wichtig, ein Gesamtkonzept zu verfolgen, das über das Leitentscheidungsverfahren hinausreicht. Ich werde darauf dringen, dass auch weitere Vorschläge, so zum Beispiel zur Verwertbarkeit von Beweisaufnahmen in gleich gelagerten Fällen und mögliche Vorgaben zur Strukturierung des Parteivortrages, in den Reformprozess Eingang finden. Die Vorschläge des Bundesjustizministers können nur ein Anfang sein; weitere müssen folgen“, sagte Roman Poseck abschließend.